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Warum ich Facebook nicht benutze. Und Du es auch nicht solltest.

(ja, dies gilt auch für andere Plattformen)

Dies ist ein komplexes Thema, und in Diskussionen darüber fällt es mir immer wieder erstaunlich schwer, meinen Standpunkt dazu darzulegen. Deswegen dachte ich, ich sollte meine wichtigsten Argument mal niederschreiben.

Eines vorweg: Ich verzichte bewusst auf Quellenangaben für die Dinge, die ich hier sage. Das hier ist meine persönliche Interpretation der Situation, basierend auf Informationen, die ich über Jahre hinweg gesichtet habe. Es gibt nicht die eine unwiderlegbare Quelle der Wahrheit, und ich habe hier nicht den Anspruch, eine wasserdichte Beweisführung zu liefern (zumal dies meines Erachtens auch gar nicht möglich ist). Ich stelle diesen Text nur für den Fall zur Verfügung, dass Du wissen möchten, wie ich über dieses Thema denke. Vielleicht liefert es ja einen Denkanstoß, auf Basis dessen Du Deine eigene Meinung überdenkst.

Also meine Gründe, Facebook, WhatsApp, Amazon Echo, Alexa usw. zu vermeiden, in ungefähr umgekehrter Reihenfolge der Wichtigkeit:

  1. Ich finde es unheimlich, dass irgendeine Firma Daten über mich sammelt, ohne dass ich überhaupt weiß, welche Daten genau. Insbesondere Sprachassistenten wie Alexa oder Amazon Echo waren wiederholt in den Nachrichten, weil sie Situationen aufgezeichnet haben, die eindeutig nicht für ihre Ohren bestimmt waren. Aber auch andere Unternehmen hatten ihre Probleme. Facebook sind wiederholt riesige Mengen an persönlichen Daten abhanden gekommen, die sicherlich gar nicht erst gesammelt worden wären, wenn das Interesse der Kunden irgendeine Rolle für dieses Unternehmen spielte.
  2. Die von Technologieunternehmen bereitgestellten Apps sammeln möglicherweise auch Daten, die nicht mit den von ihnen bereitgestellten Diensten zusammenhängen. Z.B. Wenn ich WhatsApp auf meinem Telefon installiere, liest die App möglicherweise Informationen, die über meine WhatsApp-Nachrichten hinausgehen, z. B. SMS-Nachrichten oder Anrufprotokolle. Da diese Anwendungen nicht quelloffen sind, kann ich nicht überprüfen, was sie tun, und die Berechtigungssysteme auf den gängigen mobilen Plattformen sind bei weitem nicht detailliert genug, um dies zufriedenstellend kontrollieren zu können.
  3. Gleiches gilt für die versprochene Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Die Behauptung, dass meine Nachrichten zuverlässig vor Zugriff durch Dritte geschützt werden, ist nicht nachprüfbar. Ich muss Facebook und Co. vertrauen, dass es keine Hintertüren gibt.
  4. Gruppendynamik. Der Hauptgrund, warum sich die Menschen gezwungen fühlen, diese Dienste zu nutzen, ist, dass "jeder es tut". Ich möchte diesen Effekt nicht durch mein eigenes Verhalten verstärken.
  5. Mir missfällt der Gedanke, dass meine Kommunikationskanäle von irgendwelchen Technologieunternehmen abhängen. Mächtigere Menschen als ich sind damit schon auf die Nase gefallen. Donald Trump ist ein gutes Beispiel dafür: Er hatte Twitter zu seinem wichtigsten Kanal gemacht, um seine Anhänger zu erreichen. Dass das kein guter Plan war, wird ihm spätestens klar geworden sein, als er aus seinem Account ausgeperrt wurde.
    Wenn ich zulasse, dass der Großteil meines soziales Lebens und meiner Kommunikation über Facebook oder Facebook-eigene Technologien wie WhatsApp stattfinden, hätte ein Verlust meines Facebookkontos katastrophale Auswirkungen auf mein Leben. Dies ist nicht die Art von Abhängigkeit, in die ich mich begeben möchte.
  6. Die meisten dieser Dienste, insbesondere diejenigen, die kostenlos sind, haben Geschäftsmodelle, bei denen die Benutzer das Produkt sind. Sie bezahlen mit Ihren persönlichen Daten. Das kann nur funktionieren, wenn die gesammelten Daten auf andere Weise monetarisiert werden. Einige der Möglichkeiten sind (zumindest aus Benutzersicht) eher harmlos, z. B. personaliserte Werbung. Aber es gibt auch unangenehmere Modelle.
    Man darf sich hier nicht vertun: Deine geteilten Daten mögen Dir unschuldig / harmlos / irrelevant erscheinen, aber sie sind es nicht. Jede winzige Information, die über Dich gesammelt wird, ist eine weitere Facette dessen, was sich schließlich zu einem atemberaubend detaillierten Profil zusammensetzen lässt. Dies schließt scheinbar unwichtige Details ein, z. B. mit wem Du kommunizierst, wann Du online bist, welche Inhalte Dich interessieren, usw.
    Diese Aspekte Deiner Internetnutzung werden in mathematische Modelle eingespeist, die dann verwendet werden, um einzuschätzen, ob Du kreditwürdig, gesund, für einen bestimmten Job qualifiziert oder ein sicherer Fahrer bist.
    Daher können die Informationen, die Du geteilt hast, weil Du ja "nichts zu verbergen" hast, einen sehr realen und möglicherweise schmerzhaften Einfluss auf Dein Leben haben. Obwohl mir klar ist, dass diese Art von Problemen hypothetisch klingt, gibt es viele Beispiele, bei denen dies bereits jetzt geschieht, wie z.B. durch künstliche Intelligenz-gestützte Gerichtsurteile, Predictive Policing, automatisierte Analyse von Bewerberprofilen oder Chinas soziales Bewertungssystem, um nur einige zu nennen.
    Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die scheinbar irrelevanten Informationen, die Du heute teilst, morgen aufgrund veränderter Randbedingungen wie neue Gesetze oder berufliche Veränderungen kompromittierend werden können. Vielleicht wird auch eine neue Technologie entwickelt, welche Deine Daten auf neue Weise analysieren und Informationen extrahieren kann, die nie für die Öffentlichkeit bestimmt waren.
    Ein gutes Beispiel dafür ist eine Fitness-App, mit der man seine Laufrouten teilen konnte. Durch diese Daten wurden die Positionen geheimer Militärbasen verraten. Ein Effekt, den die Soldaten, die die App nutzten, sicherlich nicht erwartet, geschweige denn beabsichtigt hatten.
  7. Politischer Einfluss: Der Prozess der öffentlichen Meinungsbildung hat sich grundlegend verändert. Soziale Medien sind hierbei zu einem entscheidenden Einflussfaktor geworden. Ein einzelnes Youtube-Video kann aus dem Nichts auftauchen, innerhalb weniger Stunden Millionen von Nutzern erreichen und ihre Wahlentscheidung am Wahltag ändern. Die Menschen leben in einer Filterblase, die (vor allem) aus einer Kombination der folgenden Effekte resultiert:
    • Soziale Medien wollen die Verweildauer Ihrer Nutzer maximieren. Genau auf dieses Ziel wird die Auswahl der angezeigten Inhalte optimiert. Wenn also festgestellt wird, dass Du eher einen Artikel öffnest, der den Klimawandel leugnet als einen, der davor warnt, dann wirst Du in Zukunft vermehrt Artikel dieser Art angezeigt bekommen. Infolgedessen wirst Du den Eindruck bekommen, dass es immer mehr Quellen und Beweise dafür gibt, dass der Klimawandel eine Lüge ist.
    • Die Auswirkungen dieses Informationsungleichgewichts wird durch einen psychologischen Effekt verstärkt, der als Bestätigungsfehler bezeichnet wird: Es fällt uns leichter, Quellen zu vertrauen, die unsere Meinung bestätigen als solchen, die eine Gegenposition vertreten.
    • Ein anderes verbreitetes Problem ist fehlende Medienkompetenz: Ich beobachte immer wieder, wie ansonsten intelligente und vernüftige Menschen den abstrusesten Behauptungen irgendeines Youtubevideos Glauben schenken und sogar soweit gehen, dieses Video in einer Diskussion als "Beweis" zu präsentieren.
    Noch schlimmer ist, dass diese Mechanismen sich auch noch leicht ausnutzen lassen, um die Massen zu manipulieren. Clevere Social-Media-Kampagnen haben z.B. eine wichtige Rolle gespielt bei der Brexit-Abstimmung und der Trump-Wahl.
    Mit anderen Worten: Wir sind dabei, uns eine Welt zu bauen, in der jemand wie Mark Zuckerberg mehr Macht hat als die mächtigsten Politiker der Welt. So sehr ich es satt habe, dass meine Privatsphäre täglich von gewinnorientierten Unternehmen mit Füßen getreten wird: Ich denke dennoch, dass diese Unternehmen nicht wirklich "böse" sind, sondern einfach nur kompromisslos profitorientiert. Aber was passiert, wenn sich das ändert? Stell Dir vor, jemand mit wirklich kranken Ideen (wie z.B. den Holocaust) hätte die Macht, die mit der Kontrolle über Facebook oder Google einhergeht. Ziemlich gruselig!
  8. Der eine oder andere mag bereit sein, die Probleme aus den Punkten 1-6 inkauf zu nehmen. Aber spätestens die unter Punkt 7 beschriebenen Probleme sollte jeder klardenkende Mensch als inakzeptabel ansehen.
    Dennoch finde ich einen weiteren Aspekt noch wichtiger: Die zukünftigen Konsequenzen, die wir heute nicht erahnen.
    Sowohl die Informatik als auch statistische Datenanalyse sind unglaublich komplexe Themen, die sich in kurzer Zeit radikal weiterentwickelt haben. Man bedenke nur, dass es Smartphones vor wenigen Jahren noch nicht gab. Dies ist ein Trend, der sich fortsetzen wird. Wir können davon ausgehen, dass die Technologie in zehn bis zwanzig Jahren unser tägliches Leben auf eine Weise verändert haben wird, die wir uns heute kaum vorstellen können.
    Wir müssen daher dringend aufhören, Technologieunternehmen blindlings unsere persönlichsten Daten anzuvertrauen.
    Die Gesetzgebung hat seit Jahren kläglich darin versagt, mit dem Tempo der Technologiebranche Schritt zu halten, und ich sehe keine Hoffnung, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern wird.
    Mit anderen Worten: Wenn wir verhindern wollen, dass diese praktisch unaufhaltbaren Technologiegiganten die Kontrolle übernehmen, müssen wir uns auch entsprechend verhalten.
    Indem wir Produkte von Unternehmen bevorzugen, die mit sich datenschutzfreundlich und verantwortungsbewusst verhalten, sorgen wird dafür, dass das Gesetz des Marktes die richtigen Anreize für die Wirtschaft schafft.

Die gute Nachricht ist: Das Richtige zu tun ist bei diesem Thema viel einfacher als bei jedem anderen ernsthaften Problem der heutigen Zeit. In den meisten Fällen reicht es schon, eine andere App zu installieren oder eine andere Webseite zu benutzen.

Kurz gesagt:

Hör auf, diese Probleme zu ignorieren, nur weil das bequemer ist.

Und bitte (!) hör auf, lächerliche Dinge zu sagen wie "Ich habe nichts zu verbergen" oder "Ich kann nicht auf WhatsApp verzichten weil X".

Hör auf, Ausreden zu finden.

Handle.

Jetzt.